Drei Gewohnheiten, die Sie zu einem (noch) besseren Coach machen.

Über die Stärke einer radikal bescheidenen Haltung in der Beratung.

«Hunderte Bücher zur Kommunikation sind zum Thema Reden und Zuhören verfasst worden, doch die soziale Kunst des Fragens wurde seltsamerweise vernachlässigt.» Edgar H. Schein

Den routinierten Profi erkennen Sie an seinem souveränen Auftritt: Er hat etwas zu sagen und er kann sich ins rechte Licht rücken. So einen muss man ernst nehmen! Sich behaupten, einen Platz erobern, keine Gefühle zeigen: Mit den Erwartungen in der Geschäftswelt sind wir alle bestens vertraut.

Wir Berater und Coaches passen uns an. Zumindest sind wir versucht, es zu tun: Wir können eine Menge und wollen dafür anerkannt werden.

Edgar H. Schein empfiehlt in seinem Buch «Humble Inquiry» eine radikal gegensätzliche Haltung: In einer Welt, in der Rationalität und Selbsterhaltung oberste Gebote sind, bleiben urmenschliche Bedürfnisse unerfüllt, nämlich die nach Emotionalität und mitfühlendem Zuhören. In diese Lücke springt «Humble Inquiry» mit persönlicher Zurückhaltung und bescheidenem Fragen.

Ein solches Verhalten ist ungewohnt. Es fällt auf, um nicht zu sagen: Es provoziert. Doch Edgar M. Schein öffnet unseren Blick und zeigt, dass wir in der Beratung nur bescheiden erfolgreich sein können.

Gute Beziehungen sind der Schlüssel

Die Zusammenarbeit in der Beratung erfordern Vertrauen, Achtung sowie soziale Gleichwertigkeit. Eine gute Beziehung ist das A und O eines erfolgreichen Coaching-Prozesses: Der Gesprächspartner will sich wertgeschätzt und anerkannt wissen.

In unserer leistungsorientierten Gesellschaft zählt jedoch der Abschluss. «Zeit ist Geld», heisst es. Der stete Blick auf Resultate und Ergebnisse verhindert allzu oft den Aufbau tragfähiger Beziehungen.

Aufgabe des Beraters ist es, Fragen zu stellen, um zu verstehen. Wie das Visasvis denkt und fühlt, ist die Ausgangslage. Wahrhaft beziehungsfördernde Fragen sind von einer wertschätzenden, einfühlsamen und die Augenhöhe respektierenden Grundhaltung getragen.

Drei Gewohnheiten, die Sie zu einem besseren Coach machen

Gewohnheit 1: nicht wissen

Edgar H. Schein ist mit grundlegenden Konzepten für die Organisationskultur, Prozessberatung und die Organisationsentwicklung bekannt geworden. Sein aktuelles Buch trägt den Titel «Humble Inquiry» – und schlägt schon damit eine für manche verstörende Tonlage an: «Humble Inquiry» beschreibt eine demütige, zurückhaltende oder bescheidene Nachfrage.

«Demut» ist ein starkes Wort. Es kommt aus dem altdeutschen und beschreibt eine Gesinnung des Dienens. Sie steht im krassen Gegensatz zu unserem Arbeits- und Berateralltag, wo es vor allem um Macht, Wissen und Kompetenzen geht. Anweisungen und Anleitungen sind die Regel.

Doch das Johari-Fenster macht deutlich, dass wir Berater allen Grund zur Zurückhaltung haben: Das Gegenüber weiss mehr über sich selbst und seine Situation als sein Berater. Er steht sich meist nur selbst im Weg.

Von daher steht der Berater in einer Art von Abhängigkeit.

Der soll seinem Gegenüber dabei helfen, die blinden Flecken zu reduzieren.

Dies gelingt ihm allein durch achtsames Erfragen und einfühlendes Verstehen. Der Coach braucht eine «Neugier und die Bereitschaft Fragen zu stellen, deren Antwort wir nicht kennen» (1), sagt Schein.

Gewohnheit 2: nicht auf der Sachebene bleiben

Ruhe und Sachlichkeit gelten als Stärke oder Begabung. Sie bestimmen den betrieblichen Alltag: «Nicht emotional werden, sachlich bleiben», ist ein beliebter und vielgehörter Satz. Noch ein Beispiel? «Gefühle spielen bei dieser Entscheidung keine Rolle» zählt ebenso zu den Klassikern.

Der «Mythos der Sachlichkeit» wird in Unternehmen ständig beschworen. Brechen doch einmal Gefühle hervor, ist der Umgang mit ihnen von Hilflosigkeit geprägt.

In der Prozessberatung haben Gefühle jedoch ihren festen Platz.

Sie finden zu einer neuen Bedeutung, denn Emotionen verdeutlichen die Ganzheit des Menschen. Die Hinwendung zu emotionalen Aspekten bewirkt:

  • Freundlichkeit, Sympathie und Einfühlungsvermögen,
  • engagiertes, persönliches Begleiten, Interesse und Begeisterungsfähigkeit sowie
  • Vertrauen.

Die Prozessberatung stellt die Beziehung in den Vordergrund! Die Haltung ist wichtiger als die Technik.

«Humble Inquiry ist hohe Kunst jemanden zu fragen. Fragen zu stellen, deren Antworten man noch nicht kennt, eine Beziehung aufzubauen, die auf Neugier und Interesse am anderen Menschen basiert» Edgar H. Schein (2)

Gewohnheit 3: non-konform kommunizieren

Gespräche werden immer bewertet. In der Regel werden sie mehr über das bewertet, «Was wir erzählen, als über das, was wir fragen.»(3).

«Out of the Box» lautet hier das Schlagwort: Es ist Aufgabe des Coaches, Fragen zu stellen, die den bisherigen Denkrahmen erweitern und «sprengen». Coaching-Prozesse werden erst so richtig spannend, wenn der Kunde «über etwas nachdenkt, das er sich noch nicht überlegt hat»(4).

Gespräche brauchen Gefühle

Coaching ist Wissen, doch vor allem Beziehungskompetenz: Das Visasvis registriert sehr wohl, ob ich einfach da sitze oder ob ich wirklich interessiert bin.

Logik, Vernunft und Sachlichkeit sind ein Aspekt der menschlichen Kommunikation. Achtsamkeit ist der zweite Teil: Echtes Interesse, zuhören und verstehen gehören dazu.

Das Wahrnehmen und Ansprechen von Gefühlen kennzeichnet die persönliche Beziehung. Empathie, Respekt, Zugewandtheit, Offenheit und eine gute Prise Humor tun das Ihre, ebenso wie ein spontanes freundliches Wort, die mitfühlende Nachfrage oder ein aufmerksamer Blick.

1 Edgar H. Schein, HUMBLE INQUIRY: Vorurteilsloses Fragen als Methode effektiver Kommunikation, EHP Köln 2016 , S.22
2 Ebd., S.135
3 Ebd., S.22
4 Ebd., S.66