Mitarbeitende in sozialen Berufen spüren jeden Tag, was existenzielle Konflikte bedeuten. Zusammen mit ihren Kunden und Patienten begegnen ihnen eine Vielzahl ausserordentlich schwieriger Lebensverhältnisse. Wo die Existenz bedroht ist, brechen Emotionen ungehindert durch. Es gehört sehr viel Know-how um die eigenen Begrenzungen und ein kluges Konfliktmanagement dazu, um derart schwierige Situationen zu entschärfen und Streit zu verhindern.
Der österreichische Ökonom, Organisationsberater und Konfliktforscher Friedrich Glasl hat sich intensiv mit den Entwicklungsstufen von Konflikten beschäftigt. Sein Modell von den Eskalationsstufen verdeutlicht auf einfache Weise, weshalb es so wichtig ist, ein Konfliktmanagement zu entwickeln:
Eskalationsstufen von Konflikten nach Friedrich Glasl
- Ebene: Noch ist eine Win-Win-Situation zwischen den Parteien möglich
Stufe 1 – Verhärtung
Erste Spannungen tauchen auf. Gelegentlich prallen Meinungen aufeinander, doch noch denkt niemand an einen Konflikt, sondern an alltägliche Auseinandersetzungen.
Wenn sich ein Konflikt anbahnt, werden die Meinungen fundamentaler. Tiefere Ursachen sind möglich.
Stufe 2 – Debatte
Die Konfliktparteien entwickeln Strategien, um die andere Seite von ihrer Sicht zu überzeugen. Es kommt zu Meinungsverschiedenheiten und Streit. Die Parteien beginnen damit, den jeweils anderen unter Druck zu setzen. Es entsteht ein Schwarz-Weiss-Denken.
Stufe 3 – Taten statt Worte
Die Konfliktparteien legen nach, um den Druck auf den jeweils anderen zu erhöhen und sich doch noch durchzusetzen. Die Gesprächsebene geht verloren. Gespräche werden unter Umständen abgebrochen. Der Konflikt verschärft sich und das Mitgefühl für den anderen schwindet.
- Ebene: Der Konflikt entwickelt ein Stadium, in dem es nur noch einen Gewinner und einen Verlierer geben kann.
Stufe 4 – Koalitionen
Die Konfliktparteien suchen sich Sympathisanten zur Verstärkung. Sie fühlen sich jeweils im Recht und denunzieren den Konfliktgegner. Die Emotionen nehmen Überhand: Es geht nicht mehr darum, den Konflikt zu lösen, sondern darum, ihn zu gewinnen, damit der Gegner verliert.
Stufe 5 – Gesichtsverlust
Die Emotionalität nimmt zu. Der Gegner soll in einem gesellschaftlich-moralischen Sinne vernichtet werden. Dafür wird ihm alles Mögliche unterstellt und seine Glaubwürdigkeit untergraben.
Stufe 6 – Drohstrategien
Ab hier sprechen die Parteien Drohungen aus. Darin spiegelt sich der Versuch wider, die Situation zu kontrollieren. Die Drohungen sollen die eigene Macht verdeutlichen.
- Ebene: Auf der dritten Ebene gibt es nur noch Verlierer
Stufe 7 – Begrenzte Vernichtung
Der Konfliktgegner wird nicht mehr als Mensch wahrgenommen. Wenn er einen Schaden erleidet, wird dies schon als Gewinn angesehen, selbst wenn damit eine eigene, begrenzte Schädigung einhergeht.
Stufe 8 – Zersplitterung
Der Gegner und seine Unterstützer sollen zerstört werden.
Stufe 9 – Gemeinsam in den Abgrund
Die eigene Vernichtung wird akzeptiert, um den Gegner zu besiegen