«Ein Mensch wird nicht dadurch gut, dass man ihm seine Schlechtigkeit beweist», betont Jürg Rüedi[1], Professor an der Hochschule für Pädagogik in Liestal. Ganz im Sinne der adlerianischen Psychologie betont er die Notwendigkeit der Ermutigung – die Bedeutung von Wohlwollen, Bejahung, Freundschaft, Einsicht und Erkenntnis.
Kinder ebenso wie Erwachsene brauchen Güte und Liebe, um zu wachsen. Unter günstigen Bedingungen kann sich der Mensch verändern. Drohungen, Strafen, Druck und Gewalt bewirken das Gegenteil. Misserfolgserlebnisse und Misserfolgserwartungen schmälern den Mut, aufzubrechen und Neues zu wagen. In diesem Sinne ist Alfred Adlers Psychologie einem konstruktiven Optimismus verpflichtet. Er sieht den Menschen frei, sich zu entwickeln, und betont zugleich die Selbstverantwortung.
Die Hinwendung zu Ermutigung und Wohlwollen steht keinesfalls im Widerspruch dazu, dass Menschen im persönlichen Zusammenleben Grenzen ziehen.
Auch Vertreter der adlerianischen Psychologie kennen Konflikte. Doch sie lösen ihre Konflikte, indem sie versuchen, den Anderen zu verstehen, und sie können damit umgehen, nicht immer im Recht zu sein. Der Mensch ist nun einmal fehlbar.
Das Menschenbild Adlers steht im Zeichen eines gesunden Selbstwertgefühls. Es zielt auf eine realistische Selbsteinschätzung im Dienst von Gemeinschaftsgefühl, Sachlichkeit und mehr Aktivität.
[1] Professor Jürg Rüedi, Newsletter Nr. 20: Ein adlerianischer Ansatz in der Erziehung. Akademie für Individualpsychologie.